Sira alias Birte Mirbach hatte bei unserer Blogger-schenken-Lesefreude-Aktion 2014 meinen Roman “Kein Frühling für Bahar” gewonnen. Nun hat sie ihn gelesen und eine tolle Besprechung dazu geschrieben:
Die junge Deutschtürkin Bahar kommt zusammen mit einem jungen Mann bei einem Feuer um. Sofort heißt es „Ehrenmord“, schließlich war Bahar mit einem deutschen Mann im Materiallager im Haus der Jugend und die Tür dazu verschlossen, als das Feuer ausbrach. Also wird schnell ihr jüngerer Bruder Burak inhaftiert. Doch was ist wirklich passiert? Hüsniye, die Mutter der beiden, ist von Buraks Unschuld überzeugt und taucht ständig bei der Sozialarbeiterin Ina auf. Anfangs eher unwillig lässt Ina sich schließlich darauf ein und besucht Burak im Gefängnis und Hüsniye zuhause. Und danach lässt die Sache sie einfach nicht mehr los.
Zunächst findet man als Leser scheinbar viele Klischees bestätigt, Hüsniye ist die unterwürfige, unterdrückte Frau, die von ihren Eltern mit einem vermeintlich passenden Kandidaten verheiratet wurde, und nur ihr Sohn Burak hat ein eigenes Zimmer und wird von Kindesbeinen an verwöhnt und geliebt, im Gegensatz zu seiner Schwester, die ja „nur“ ein Mädchen ist. Bahar schläft bei ihrer Mutter im Zimmer und macht ihre Hausaufgaben am Küchentisch. Hüsniyes Schwiegereltern, bei denen sie leben, halten es nicht einmal für notwendig, Hüsniye mit ihrem Namen anzusprechen statt mit „Gelin“ ( = Schwiegertochter). Sie ist ja schließlich nur die billige Arbeitskraft für ihre Schwiegereltern. Doch nach und nach erfährt man mehr über Bahar und ihre Familie, und manches stellt sich auf einmal ganz anders dar.
Der Roman wird abwechselnd von Ina, von Bahars Großvater in seinem türkischen Dorf und von Leonie, einer Freundin Buraks, erzählt. Bahars Tod ist letztendlich nur der Zündfunke für die Geschichte und wird im Laufe der Zeit immer nebensächlicher. Die Autorin benutzt geschickt die verschiedenen Perspektiven, um Vorurteile und Stereotypen vorzuführen und schließlich zu zerpflücken und zu widerlegen. Letztendlich erweisen sich ausgerechnet die vermeintlich hinterwäldlerischen Dörfler als die von ihrer Einstellung her moderneren Türken. Insgesamt ist alles sehr glaubwürdig und lebendig geschildert. Man merkt gerade auch an den Details deutlich, dass die Autorin sich hier auskennt.
Bahars Tod war übrigens kein Ehrenmord, sondern ein Unfall, und Burak zur Zeit ihres Todes nicht einmal vor Ort. Aber lieber erst mal vorsorglich den Bruder verhaften, weil Türken ja ach so gerne ihre Schwestern umbringen wenn diese nicht parieren. Ja, klar auch.
© Birte Mirbach
Vielen herzlichen Dank, liebe Birte!
Wer nun nicht nur auf das Buch neugierig geworden ist, sondern auch auf Birte, erfährt hier mehr über sie und von ihr: http://www.birtemirbach.de/ Ihre erste Co-Romanübersetzung erscheint übrigens im August: “Sommermädchen” von Mary Alice Munroe.
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