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« Im Opiumtaumel von der Kulturrevolution hinweggefegt
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Luo Lingyuan: Die Sterne von Shenzhen

19. November 2009 von Sabine Adatepe

„Luo Lingyuans kühle Texte sind aufklärende zeitgeschichtliche Dokumente, die ins Diplomatengepäck jedes China-Enthusiasten gehören“, schrieb der Focus.

Kühl sind sie tatsächlich, nüchtern, die Sprache ist schlicht, sparsam fast. Es geht Luo offensichtlich nicht um ein sprachliches Kunstwerk, sondern ausschließlich um den Inhalt.

Hier erzählt sie vom Aufstieg und Fall Dai Xingkongs, der sich mit seiner Firma Tenglong mit den zwei Standbeinen Computertechnologie und traditionelle Medizin zum milliardenschweren Unternehmer hocharbeitet. Dabei kommen ihm seine Aufrichtigkeit, sein demokratischer Ansatz den MitarbeiterInnen gegenüber ebenso zustatten wie die Ausnahmekonditionen der Sonderwirtschaftszone Shenzhen. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen zwei Frauen, die bildhübsche Jian Roula, eine emanzipierte, raffinierte Frau, die ihre weiblichen Reize gezielt und interessengeleitet einsetzt, und Tang Anqi, die erst langsam in ihre neue Rolle in der Werbeabteilung bei Tenglong hineinwächst, lange ablehnt, ihre Weiblichkeit einzusetzen, im entscheidenden Moment sich aber als starke Frau erweist.

Als Dai ein, zwei Fehlentscheidungen trifft und der Bürgermeister, sein Freund und Förderer, ausgewechselt wird, beginnt der Absturz. Korruption, behördliche Willkür und widrige Umstände (ausufernde Produktpiraterie, nicht nachlassende Regenfluten u.ä.) tun ein Übriges. Zum Verhängnis wird der Bau der neuen Firmenzentrale. Der Boden erweist sich als nicht ausreichend tragend, Dai aber vertraut auf sein Glück, plant 30 Etagen mehr, verkauft Luxuswohnungen in schwindelnder Höhe schon vor dem Bau. Eine gelungene Metapher für ein zu hohes Wagnis. Nicht der Wolkenkratzer stürzt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, sondern Dais Unternehmen und Familie.

Ein Buch über Loyalität, Freundschaft und Liebe, Selbstüberschätzung, Korruption, die allgegenwärtig und unumgänglich scheint, und Konkurrenz und natürlich in erster Linie über die schwierige, dafür umso rasantere Entwicklung Chinas vom dirigistischen Staatswirtschaftsmonopolisten zur Supermacht der freien Marktwirtschaft. Es müssen Späne fallen, wo gehobelt wird. Natürlich gelingt Dai nach dem totalen Absturz auch der Wiederaufstieg.

Luo präsentiert mit sezierendem Blick Menschen im Wandel zur Moderne mit Stärken und, vor allem, Schwächen. Dass Glück, das Dai und Anqi am Ende ereilt, scheint die Autorin sich schweren Herzens abgerungen zu haben, ein Zugeständnis an die Leserin vermutlich.

Luo lebt seit 1990 in Berlin, schreibt auf Deutsch, und erhielt 2007 den Chamisso-Förderpreis. Ihre klare, schonungslose, fast emotionslos scharfe Analyse der aufstrebenden chinesischen Boom-Gesellschaft mag dieser Position geschuldet sein, die ihr den Blick von Außen erlaubt und zugleich Kenntnis von den Erwartungen der westlichen Leserschaft gibt.

Luo gehört zu jenen, die helfen, ein Stück mehr vom modernen China zu verstehen. Mit ihren in deutscher Sprache in Deutschland verfassten Büchern ist sie zugleich ein Paradebeispiel für zeitgenössische interkulturelle Literatur beachtlichen Niveaus, wie sie seit Jahren von AutorInnen mit Migrationshintergrund auch hierzulande geschaffen wird.

Luo Lingyuan: Die Sterne von Shenzhen. München 2008.

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